16mm – Sonntagskino

Sonntagskino vom 16-mm-Projektor

Im Klassenzimmer wurde es dunkel, die Lehrkraft hatte ihre liebe Mühe mit dem Projektor, und dann ratterte der Film los. Wer diese Atmosphäre erleben möchte, ist beim Sonntagskino der Insel-Lichtspiele  richtig. Der Wilhelmsburger Kinoverein hat 16-mm- Filmarchive durchforstet und präsentiert an vier Sonntagen ein abwechslungsreiches Programm aus kurzen Spiel-, Dokumentar- und Lehrfilmen.
In den 1960‘er Jahren und später bedienten sich viele Filmschaffende der 16-mm-Technik, um ihre Ideen unmittelbar und kostengünstig zu realisieren. Zahlreiche Werke verschwanden in den Archiven und wurden nie auf modernere Formate konvertiert. Zum Auftakt am 20.11.2016 geht es um Wohnungsnot und Mietwucher, u.a. steht der Film „Ekhofstraße, Hamburg-Hohenfelde – Eine Mieterinitiative kämpft um ihr Viertel“ (Tillmann Scholl 1974, 45 min.) auf dem Programm. Am 27.11.2016 warten selten gezeigte Kurz-Spielfilme auf ihre Wiederentdeckung. Ein Filmreigen zu Arbeiterbewegung und Streik folgt am 04.12.2016. Am letzten Filmsonntag, dem 11.12.2016 zeigen die Insel-Lichtspiele Lustiges und unerwartete Schätze. An allen Spieltagen gibt es viel zu entdecken!

16mm-sonntagskino ERCIYES e.V. Fährstieg 1


Wohnungsnot und Mietwucher (Sonntag, 20. November, 18 Uhr):

hohenfelde

Wir zeigen 4 exklusive Zelluloidfilme an diesem Abend, drei kürzere und den 45-Minuten-Film „Ekhofstraße, Hamburg-Hohenfelde – eine Mieterinitiative kämpft um ihr Viertel„. Der 1973 bis 1974 gedrehte Film von Tillmann Scholl zeigt die wahrscheinlich erste große Hausbesetzung in Hamburg nach dem Krieg. Die Bewo-Bau wollte das proletarisch geprägte Viertel Hohenfelde durch profitable Hochhäuser ersetzen. Die Mieterinitiative, in der viele Bewohner*innen aktiv waren, setzte zunächst auf Eingaben und Verhandlungen, musste dann aber feststellen, dass sie nur hingehalten wurde. Die Besetzung wurde damals stark von der neuen Linken in Hamburg getragen und rückte die Wohnraumspekulation über den Stadtteil und Hamburg hinaus an die Öffentlichkeit. Ein vergessener Film, der auch in den letzten Jahren nicht mehr gezeigt wurde.

Außerdem: Berlin in den 1970’ern, die Wohnungssuche einer Familie, die trotz „ordentlicher Verhältnisse“ kaum etwas Bezahlbares findet. Allen Hausbewohnern wurde in ihrem Altbau gekündigt. Und nun? Eine kleinere zu überteuerten Preisen? Ein Kurzspielfilm in Farbe und Lichtton.

Sowie: „Mietwucher“, Mitschnitt einer heißen Diskussion von Schülern mit ihrem Lehrer, hier in Hamburg Anfang der 70‘er.

Zum Schluss: Ein Film aus Berlin, ebenfalls Anfang der 1970‘er. Wieder geht es um eine Familie, die die Miete im Vorzeigeviertel nicht mehr zahlen kann. Für 60.000 Bewohner errichtet, wirkt es trotzdem wie ein Ghetto. Der Film geht erstmal mit einem Sieg für die Mieter aus, aber was geschieht, wenn die Kamera erstmal weg ist? Ein ziemlich interessanter Film.


Geniale Kurzspielfilme (Sonntag, 27. November, 18 Uhr):

gesichter

Zweiter Zelluloidabend der Insel-Lichtspiele, diesmal mit 6 kurzen und genialen Spielfilmen.

Ein Film über eine Clique im Ruhrgebiet. Jungs und Mädchen, geklaute Autos. Dreiecksgeschichten. Lustig und genial gemacht.

Eine Wette in einer Clique in Prag in den 1960‘ern. Wer kann bis zum Abend ein Mädchen mit ins Tanzlokal mitbringen? Jiri ist noch auf der Suche, als er sich beim Schaufensterbummel zu verlieben beginnt. Soll er sein Mädchen am Abend den anderen als Trophäe vorführen?

„Das Fenster“, ein Film über Kemal Altun, der in Frankfurt aus dem 6. Stock des Gerichtsgebäudes sprang. Kemal Altun wollte hier Asyl suchen, was ihm nach dem Putsch von 1980 nicht gewährt wurde.

Die Verwandlung eines jungen unscheinbaren Mädchens in einen „Star“. Ein Kurzspielfilm über ein unscheinbares Friseurlehrlingsmädchen, das normal und bieder ist, aber ihrem Star Jean Seberg aus Frankreich nacheifert, um in ihrer Clique „in“ zu sein. Lohnt sich die Veränderung, um vielleicht eine falsche Anerkennung zu bekommen?

Magnet Großstadt oder Moloch Großstadt: Frau vom Land nach München. Arbeiten, Anonymität, Bahnhof, Tanzvergnügen, Gefahren, französische Soldaten, geordnete Verhältnisse, Jugend, Verlockung der Großstadt, „emotionslose Scheinkontakte“, „personelle Flurbereinigung“.

Peter wird von einem Mitschüler erpresst: Entweder er zahlt wöchentlich 10 Mark oder er wird „verraten“. Wie soll sich Peter gegenüber dem auch andere Schüler terrorisierenden Tommy verhalten? Soll er die Erpressung hinnehmen, soll er sich selbst mit Gewalt wehren, soll er den Schritt in die Legalisierung wagen?


  • 3. Teil unserer 16mm Zelluloid-Reihe. Diesmal: ARBEITERBEWEGUNG UND STREIK

    (Sonntag, 04. Dezember, 18 Uhr):

Mindestens 4 Dokumentarfilme aus Westdeutschland zwischen 1967 und 1977 und bei Gefallen noch einen italienischen von 1961.

streik

Kohle-Krise in den 1960ern. Der Staat zahlte den Bergbau-Gesellschaften hohe S-Prämien für Stilllegungen, doch vergleichbares zur Unterstützung der Bergleute blieben aus. Mit 88 % wurde für den großen Streik gestimmt und die IG Bergbau-Führung kam ordentlich ins schwitzen. Vergangene Zeiten mit der fast vergessenen Stärke der Arbeiterklasse trotz der SPD.

In den sechziger Jahren kamen die ersten italienischen Gastarbeiter nach Deutschland. Der Mann arbeitet nachts in einem Stahlwerk, die Frau geht arbeiten, wenn er zum schlafen nach Hause kommt. Der Film zeigt wie sich eben der Alltag abspielt, wo Mann und Frau zeitlich ungleiche Schicht arbeiten müssen.

Ende der 1970er. Über die Schließung einer Zementfabrik am Ruhrgebiet und die Familien, insbesondere die Frauen. Breite Kreise des Protests in der Region. Diskussionen in der Familie, Neuausrichtung des Alltags bei weniger Geld. Demoszenen, Protestvorbereitungen, Arbeiterfrauen-Solidarität.

Ein kurzer Film über das Ruhrgebiet mit einem der revoltierendsten Stücke deutscher Realität. Realität des Ruhrgebiets, Realität des deutschen Kommunismus, Bildern und Stimmen, die wie eingefroren wirken. Es ist das Panorama einer Niederlage. Sie sitzen an Tischen mit sauberen Decken und vor Konsolen in weißen Hemden mit Schlips und sprechen in erstarrten Wendungen vom Kampf gegen den Kapp-Putsch und den Faschismus.

Und bei Bedarf noch ein Lehrfilm? Süditalien: Landarbeiter werden Neubauern und Industriearbeiter. Die Schwierigkeiten bei der süditalienischen Bodenreform in die Praxis und der Versuch der Lösung der sozialen Probleme mit Hilfe der Industrialisierung. Aber das macht auch die Organisierung einfacher…


Letzter Teil unserer 16mm Zelluloid-Reihe. Diesmal:  LUSTIGES UND UNERWARTETE SCHÄTZE

(Sonntag, 11. Dezember, 18 Uhr):

kuer

MEIN FENSTER, BRD, 1979, Regie: Tillmann Scholl, Kameramann und Ansager jagen nach der Sensation. Der Sprung aus dem Fenster am Fischmarkt mit der Kamera. Doch plötzlich will der Kameramann nicht mehr, während der Produzent um sein Geld bangt… Trash? aus vergangenen Zeiten. In Oberhausen damals auf „besonders Wertvoll“ eingereicht!

SUPERGAU, NOW! BRD, 1979/1980, Regie: Tilmann Scholl, 6 Min. Zwei auf dem Weg zum AKW bei Hamburg. Und dann Leute mit Strahlenanzügen, Staubsaugern die Geigerzähler sind oder doch Raketenabschussrampen? Ab durchs Schilf bevor der Super Gau passiert!

Ein Kamerateam befragt eine Gruppe von Punks und hält auch die Ansichten von Passanten fest. Die Punks sind in Opposition, haben andere Ideale als „Normalbürger“ und machen ihre Lebenseinstellung und Zukunftsangst durch ihr anscheinend aggressives Äußeres sichtbar. Der Zuschauer ist aufgefordert, die Argumente dieser Randgruppe und auch die der Passanten auf Gültigkeit zu prüfen.

Ein Unfallverhütungsfilm aus Frankreich! Kurzspielfilm zT. avantgardistisch gemacht. Tragisch und unterhaltsam. Dann einTourismuswerbefilm für West-Berlin in japanischer Sprache. Angenehm zu sehen, Easy-Listening-Music.

Sowie: Aufklärung vor Alkohol etc. und vielleicht noch den Publikumslieblingsfilm dieser Saison in Wiederholung…

 

 

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