Der Nachwelt eine Botschaft
Im August 2018 starb der Dokumentarfilmer und Direct Cinema-Pionier Klaus Wildenhahn 88-jährig in Hamburg. Das Wilhelmsburger Wanderkino widmet ihm im März eine Filmschau.
Die leichten 16-mm-Handkameras revolutionierten Anfang der 1960’er Jahre den Dokumentarfilm: Sie ermöglichten es, Menschen und soziale Prozesse direkt, ohne großes Team und Equipment, zu beobachten. Klaus Wildenhahn, 1959 bis zu seiner Pensionierung Mitarbeiter des NDR, brachte das Direct Cinema ins deutsche Fernsehen. Ihn interessierte der „sogenannte Alltag, der Zustand nach der Sensation, das Befinden der sogenannten kleinen Leute, nachdem der Flügelschlag der Geschichte vorbeigerauscht ist, die eingekehrte Lange-Weile“ und befand: „Es ist eine gute Methode, die Leute ausreden zu lassen.“.
14 seiner rund 60 Filme erschienen 2010 in einer DVD-Edition, andere gibt es weiterhin nur im 16-mm-Format. Da viele Kinos ihre 16-mm-Projektoren längst ausgemustert haben, verstauben diese Arbeiten in den Kinematheken – zu Unrecht, wie die Insel-
Lichtspieler*innen finden. Bei ihnen hat der 16-mm-Projektor vom Alabama-Kino liebevolles Asyl gefunden, und so kommt Wilhelmsburg in den Genuss der einzigen umfangreichen Schau dieser vergessenen Filme.
Das mobile Kino ist zu Gast in der BI, Rudolfstraße 5 in Wilhelmsburg. Programmstart an
allen Abenden ist um 19 Uhr. Der Eintritt beträgt 6 EUR / ermäßigt 4 EUR.
Freitag, 1. März 2019
DIE LIEBE ZUM LAND, Teil II
Drei Treckerfahrer, ein Melker und ihre Frauen
Kreis Herzogtum Lauenburg 1973
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Thomas Hartwig,
Format: 16mm, s/w, D 1973/74, 73 min
Beobachtungen auf einem Hof in Klempau bei Ratzeburg.
Man sieht: die Lebensumstände von Landarbeitern, die auf der untersten sozialen Stufe stehen, die das wissen und die
trotzdem nicht in die Stadt und zur Industrie abwandern. Beabsichtigt war, das Leben auf dem Land zu zeigen wir es
wirklich ist, ohne Romantik, ohne Nachgiebigkeit gegenüber einer ideellen Konstruktion und Voreingenommenheit. Teil I
lief nach Klaus Wildenhahns Tod im Fernsehen. Teil II wurde seit Jahrzehnten nicht mehr gezeigt.
Samstag, 2. März 2019
ZWISCHEN 3 UND 7 UHR MORGENS
Über eine lange Nacht im „Zillertal“ an den Landungsbrücken
und das Ende einer kurzen Nacht, die mit dem Ausfahren der ersten U-Bahn endet.
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Karl Heinz Wulkow,
Format: 16mm, s/w, D 1964, 9 min
Über eine lange Nacht im „Zillertal“ an den Landungsbrücken und das Ende einer kurzen Nacht, die mit dem Ausfahren der
ersten U-Bahn endet.
MR. EVANS GEHT DURCH HAMBURG
Über die Cholera 1892
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Wolfgang Jost,
Format: 16mm, Farbe, D 1989, 46 min
Warum es Ende des 19. Jahrhunderts ausgerechnet in Hamburg zu einer Cholera-Epidemie verheerenden Ausmaßes gekommen
ist, legt der britische Historiker Richard J. Evans 1987 in seinem Buch „Tod in Hamburg“ dar. Der Film zieht Parallelen
zwischen dem Stadtstaat von damals mit seinen Slums und den Gängevierteln und dem England unter Margaret Thatcher.
Freitag, 8. März 2019
DER NACHWELT EINE BOTSCHAFT
Ein Arbeiterdichter
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Gisela Tuchtenhagen,
Format: 16mm, D 1979/80, Farbe, 55 min
Erinnerungen an die Vorkriegszeit, Kriegszeit, Nachkriegszeit. Erinnerungen an Kindheitsspiele, an schwere Arbeit, an Zechenschliessungen,
an den Tod durch Staublunge und an Feierabendmusik. Der Poet und Bandonionspieler Günter Westerhoff, während der Dreharbeiten 56 Jahre alt, war gelernter Zechenschlosser mit drei Kriegsverwundungen und fünf Arbeitsunfällen.
TOR 2
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Rainer Komers,
Christoph Hübner, Format: Super 8mm, auf 16mm aufgeblasen,
D 1978/79, Farbe, 32 min
In der eiskalten Silvesternacht 1978/79 steht ein kleines Team an Tor 2 der Mannesmann-Hütte in Duisburg. Die unabhängige
Produktion entstand als Akt der praktischen Solidarität mit den für die 35-Woche Streikenden.
Samstag, 9. März 2019
RHEINHAUSEN. HERBST ’88
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Wolfgang Jost,
Format: 16mm, Farbe, D 1988, 86 min
Sechs Monate nach Beendigung des großen Streiks um die drohende Schließung des Stahlwerks hat dieser Film Duisburg-
Rheinhausen im Oktober beobachtet. Unsicherheit im Herbst an dem Ort, auf den zuvor die gesamte deutsche Öffentlichkeit blickte. Ein paar Monate später ist die Krupp-Vorstadt wieder ins öffentliche Desinteresse zurückgefallen.
Freitag, 15. März 2019
YORKSHIRE I: 10 Tage, Juli ’84
Regie: Klaus Wildenhahn, Kamera: Wolfgang Jost,
Format: 16mm, D 1985, Farbe, Teil 1: 58 min, Teil 2: 69 min
Samstag, 16. März 2019
YORKSHIRE II: November, Dezember ’84
Szenen aus einem der längsten und härtesten Streiks der englischen Geschichte:
Die Zeche Hatfield und ihr Bergarbeiterclub, ausschwärmende Streikposten, Übergriffe der Polizei, die Gewaltfrage, Essenfassen in Suppenküchen.
Zwei Ausschnitte und Einblicke, einmal im Sommer, einmal zum Winteranfang. Die Filme wurden nur einmal im Fernsehen gezeigt.